Dienstag, 10. Dezember 2013

Straßen des Lebens.




'Siehst du, Momo', sagte er [Beppo Straßenkehrer] dann zum Beispiel, 'es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. 
Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man.'
Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort: 
Und dann fängt man an, sich zu beeilen. Und man eilt sich immer mehr. 
Jedesmal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. 
Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst zu tun und zum Schluss ist man ganz außer Atem und kann nicht mehr. 
Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen.' 

 Gerade Straße wallpapers
 
Er dachte einige Zeit nach. Dann sprach er weiter: 'Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? 
Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten.'
Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte: '
Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. 
Und so soll es sein.'
Und abermals nach einer langen Pause fuhr er fort: 
'Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. 
Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Atem.' Er nickte vor sich hin und sagte abschließend: 
'Das ist wichtig!' 
[Michael Ende, "Momo"]

Das, was die Figur aus der Momo-Geschichte dort sagt, kennt wohl jeder. 
Das aufsteigende Panikgefühl vor anstehenden Aufgaben.
Das Überfordertsein.
Das Von-Tag-zu-Tag-gestresster Werden, wenn man wieder einmal viel zu wenig Zeit für alles hat.
 Und wieder einmal ist es die Zeit, die einem hier teuflisch durch die Finger zu rinnen scheint.



Doch es geht auch ganz anders.
Das Gefühl, dass am Ende der Strasse etwas auf dich wartet.
Bedrohend.
Dunkel.
Unausweichlich.

 

Dann kann die Strasse noch so lang sein, irgendwann wirst du an ihr Ende gelangen.
Und wenn die Reise auf der Strasse auch noch so schön ist, du weisst, dass sie enden wird.
Vorerst.
Und dann ist da irgendwie noch das Gefühl, dass es vielleicht kein Ende sein muss.
Sondern dass die Strasse an eine Gabelung trifft, an der man sich für einen Weg entscheiden muss.
Und diese Entscheidung dein Leben verändern kann.


  

Donnerstag, 5. Dezember 2013

Momo.

Momo ist so viel mehr als nur ein Kinderbuch.
Klar, fast jeder kennt die Geschichte aus seiner Kindheit.
Nur ich nicht.
Vor ungefähr einem Jahr fiel mir dann das alte Kinderbuch meiner Mutter in die Hände.
Ich begann zu lesen und hörte nicht wieder auf.
In einem Zug habe ich das Buch durchgelesen.
Es hat mich einfach verzaubert, irgendwie gepackt.

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Diese Geschichte, so kindgerecht und doch hochphilosophisch.
Eine wunderbare Geschichte eines kleinen Mädchen, das den Menschen ihre gestohlene Lebenszeit zurückbringt, welche ihnen von den Grauen Herren der Zeitsparkasse gestohlen wurde. 
Ein Mädchen, das gegen jede Konvention handelt und denkt. 
Das im frühen Alter verstanden hat, was das Wichtige im Leben ist.

Eines der Hauptthemen dieses Buches ist das Thema der Zeit. 


Ein Rätsel, das nachdenkliche Kinder und Erwachsene, die noch nicht verlernt haben, sich über das scheinbar Selbstverständliche zu wundern, gleichermaßen beschäftigen kann.
Momos Geschichte ist in jenem Reich der Phantasie angesiedelt, das im Nie und Nirgends liegt oder auch in einer zeitlosen Gegenwart.

Doch nicht von Fabelwesen aus fernen Galaxien ist die Rede, ihre Bildsprache ist ganz und gar unserem gegenwärtigen Leben entnommen, ihre Welt ist die einer heutigen Großstadt.
Gänzlich nah dran an uns.
 Und es erweist sich, dass unsere moderne Welt nicht ärmer an Wundern und Geheimnissen ist, als die vergangener Zeiten, wenn man sie mit den Augen Momos  und ihrer Freunde anschaut...

Neben der wirklich schön geschriebenen Geschichte glänzt das Buch aber auch durch wirklich tiefgreifende Zitate, die mich sehr zum Nachdenken angeregt haben.

 
"Du weißt ja, dass sie von der Lebenszeit der Menschen existieren. Aber diese Zeit stirbt buchstäblich, wenn sie von ihrem wahren Eigentümer losgerissen wird. Denn jeder Mensch hat seine Zeit. Und nur so lang sie wirklich nur die seine ist, bleibt sie lebendig."

 Zeit,Zeitforscher,Karlheinz Geißler,Stress,Burnout,Zeitdruck

"Denn so wie ihr Augen habt, um das Licht zu sehen und Ohren um Klänge zu hören, so habt ihr ein Herz um damit die Zeit wahrzunehmen. Und alle Zeit, die nicht mit dem Herzen wahrgenommen wird, ist so verloren wie die Farben des Regenbogens für einen Blinden oder das Lied eines Vogels für einen Tauben."

Ein literarisches Plädoyer für uns Menschen, die im Stress des Alltags oft die wichtigen Dinge vergessen und aus den Augen verlieren.
Sich Zeit zu nehmen.
Für ein kurzes Gespräch mit dem Nachbarn.
Für ein tröstendes Wort zur Freundin.
Für ein Lächeln für den Fremden traurigen Mann auf der Strasse.
Fürs Zuhören.
Fürs Dasein.

 

Denn wenn wir denken, wir können uns für diese Dinge die Zeit nicht nehmen und sie lieber sparen, bleibt am Ende des Tages immer die Frage:
Wofür eigentlich?
 

Freitag, 22. November 2013

Leben.

Zuerst ist da vielleicht dieser Wunsch, einmal etwas völlig Neues zu erfahren. Eine unbestimmte Sehnsucht.
Und das Gefühl: Das kann einfach nicht alles sein.
Carl Rogers, ein amerikanischer Psychologe, sagte einst den simplen Satz:
„Der Mensch ist gut!“
Er war davon überzeugt, dass jeder von uns über ein großes Potential verfügt, das uns dazu befähigt, uns selbst zu entfalten. 

 

Warum also fällt es den meisten von uns so schwer, uns selbst als „gut“ zu sehen und ein gutes Bild von uns zu haben? Vielleicht weil wir uns zu stark auf unsere vermeintlichen Schwächen konzentrieren...und weil wir uns selbst blockieren.

Jeder von uns hat seine eigene Lebensphilosophie – eine entscheidende Rolle spielen dabei unsere Einstellungen zu Liebe, Geld, Arbeit, Beziehungen, Erfolg und Glück. 
Vieles haben wir von anderen unreflektiert übernommen. 
Und doch ist eine ständige Überprüfung dieser Einstellungen so wichtig.




Ändere deine Einstellungen, und du änderst dein Leben – das hört sich simpel und logisch an. 
Ist es auch. 
Und dennoch alles andere als einfach. Denn oft liegt es nicht daran, dass wir eine mangelnde Bereitschaft haben, etwas zu ändern. Sondern daran, dass wir nicht wissen, was unsere wahren Bedürfnisse sind. 
Denn diese liegen oft nicht an der Oberfläche. Doch sie sind das Fundament unserer Identität. Sie machen uns aus... und für sie müssen wir die Kraft zur Veränderung aufbringen.

Es geht darum, das Drehbuch unseres Lebens neu zu schreiben. Alles das, was wir auf der Leinwand des Lebens sehen, was uns nicht mehr gefällt, muss fortan nicht mehr gesendet werden. 
Wir können unser Leben umschreiben. 
Denn niemand ausser uns selbst ist dazu in der Lage, das Buch der Regie neu aufzuschlagen und den Stift selbst in die Hand zu nehmen. Denn der Glaube an die eigene Geschichte des Lebens und an uns selbst hat rein gar nichts mit Egoismus zu tun. 

Und es kam der Tag, da das Risiko, in der Knospe zu verharren, schmerzlicher wurde, als das Risiko, zu blühen.
[Anais Nin] 

http://cimddwc.net/wp-content/uploads/2009/08/kalanchoe1.jpg

Wir müssen zu dem inneren unverletzlichen Kern unserer Persönlichkeit vordringen. 
Denn dort sind wir in Sicherheit. 
Eine Sicherheit, die uns niemand mehr nehmen kann. 
Denn sie ist unabhängig von materiellen Dingen und allen anderen äußeren Faktoren.
Sie basiert einzig auf dem Vertrauen zu uns selbst.

Samstag, 16. November 2013

Humor.

Unverzichtbar und lebensbereichernd.
Dass mein Humor sehr speziell ist, das habe ich schon oft gehört.
Ich kann ganze Abende damit füllen, über absoluten Nonsens zu debattieren.

Humor ist für mich der Normalität und Strukturiertheit des Alltags eine Note der Absurdität hinzuzufügen.

Gedankenspiele.
Neologismen.

Es gibt nicht viele Künstler oder Autoren, denen ich einen guten Humor zusprechen würde.

Aber wenn ich jemanden für seine Art zu schreiben und seinen Witz bewundere, dann ist es Max Goldt.

 http://www.dasrind.de/press/0704/070413_maxgoldt.jpg

Um sich einen kleinen Eindruck dieses Autors zu verschaffen, reicht es allein, die Titel seiner Werke zu lesen:

Mein äußerst schwer erziehbarer schwuler Schwager aus der Schweiz.
Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittau.
Ein gelbes Plastikthermometer in Form eines roten Plastikfisches.
Koksen um die Mäuse zu vergessen.
Nackt in einem Märchenschloß voll wirklich schlechter Menschen.


Man mag es vielleicht nicht glauben, aber im Laufe des Lesens stellt man dann immer wieder fest, dass die Titel doch Sinn machen.
Wieder ein Punkt, den ich an Goldt so mag: 
Innerhalb der Absurdität findet sich immer doch ein rationales Konstrukt.

Doch nicht nur die Bücher sind absolut lesenswert, sondern auch live hat Max Goldt einiges zu bieten.
Ja ich kann ehrlich sagen, ich habe selten so sehr gelacht, wie an dem Abend einer seiner Lesungen in Dortmund letztes Jahr.

Hier ein paar Zitate, um sich einen Eindruck zu verschaffen:
„Die Seele ist eine widerliche alte Pottsau. Man sollte sie einsperren, aber sie ist schon eingesperrt, und zwar in den Körper, und weil sie darunter leidet, drangsaliert sie den Körper mit Zuständen. Oder: Seele und Körper treffen sich abends im Rotlichtmilieu und denken sich Hautkrankheiten und ähnliche Irritationen aus.“

Absolut Hörenswert!!!
http://www.youtube.com/watch?v=Sz3Z6k54qho

Es gibt kein besseres Rezept für mich gegen schlechte Laune...ein kurzes Kapitel gelesen oder ein Video von ihm angesehen und schon ist das Leben wieder ein bisschen bunter.
Und dem Alltag ist wieder ein Stück seiner Strenge genommen worden...

Danke an Max Goldt!

Dienstag, 12. November 2013

Begeisterung.

Es ist wie eine Gabe.
Sich wie ein Kind für etwas begeistern zu können.
Sich von etwas so fesseln zu lassen, dass man alles um sich herum vergisst.
Dass man für einen kleinen Moment nur im Hier und Jetzt ist,
den Alltag und seine Probleme hinter sich lässt.

Nicht umsonst sagt Christian Morgenstern in einem sehr treffenden Zitat, dass Enthusiasmus das schönste Wort der Welt sei.

Ich habe viele Dinge, für die ich mich begeistern kann.
Die mich fesseln und faszinieren, die mir die Schönheit des Lebens zeigen und die mich immer wieder einen Moment aus dem Alltag reissen können.

Und mir reichen oft schon die kleinen Dinge, um mich in einen Zustand der absoluten Begeisterung zu versetzen.
Eine Eigenschaft, die ich an mir nicht missen möchte...




 



Ohne Begeisterung schlafen die besten Kräfte unseres Gemütes. Es ist ein Zunder in uns, der Funken will.
[Johann Gottfried von Herder]

Sonntag, 3. November 2013

Alleinsein.


Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich eins absolut nicht konnte: allein zu sein.
In dieser Phase habe ich mich von einem Menschen getrennt, der sehr lange Teil meines Lebens gewesen ist. 
Danach war ich zwar frei von vielen Problemen, die diese Beziehung mit sich brachte, aber auch allein. 
Und das war furchtbar für mich. Klar hatte ich zu dieser Zeit auch meine Familie und meine Freunde, aber irgendwann kommt man immer an einen Punkt, an dem man mit sich allein ist.
Ich habe alles versucht: Fernsehen laut anmachen, immer für eine Geräuschkulisse gesorgt. Doch es half nicht. Irgendwann meldet sich die innere Stimme dann doch. Und zwar sehr intensiv. 

http://static.twoday.net/nummer3/images/innere-stimme2.jpg
[http://static.twoday.net/nummer3/images/innere-stimme2.jpg]

Raus aus der Wohnung, spazieren gehen und ablenken. Auch das half nur bedingt.
Mit meinem Umzug in eine WG endete diese Phase dann.

…..

Viel hat sich seitdem geändert.
Ich habe gelernt, dass man diesen Zustand des Alleinseins nutzen kann.
Für sich.

 

Weil nur wenn man es schafft, mit sich allein zufrieden zu sein, sich selbst auszuhalten und der eigenen Stimme standzuhalten, können dies auch andere Menschen.
Es gibt einen Zeitpunkt im Leben, da muss man dieser Angst vor dem Alleinsein direkt ins Gesicht gucken. 
Sie annehmen und sie zulassen. 
Denn unterdrücken lässt sie sich sowieso nicht.

Und hat man diesen Zustand zugelassen, dann merkt man, wie wenig einem die Einsamkeit anhaben kann, wenn man stark ist.
Wie frei man wird, weil man plötzlich merkt, wie wichtig diese innere Stimme auch sein kann. Denn sie spricht die Dinge aus, die vielleicht manchmal unangenehm sind, aber sie ist und bleibt die wichtigste Richtschnur des eigenen Lebens. 
Und gerade deswegen ist es so wichtig, auf diese Stimme zu hören und nicht vor ihr wegzulaufen.
Denn wer sonst soll einem denn sagen, was einen glücklich macht, wenn nicht die eigene innere Stimme?


Um genau diese Stimme immer wieder zu Wort kommen zu lassen, suche ich mir Phasen, in denen ich allein sein kann. 
Dazu reicht manchmal ein kurzer Spaziergang, eine Runde Joggen durch den Wald, ein Abend nur mit sich allein oder eine lange Autofahrt. 



Seitdem ich gelernt habe, das Alleinsein zu schätzen und zu pflegen, hat sich auch meine Beziehung zu anderen Menschen positiv verändert.
Denn Menschen lieben Menschen, die sich selbst lieben. 
Und man selbst kann man nur lieben, wenn man es auch mal eine zeitlang alleine mit sich aushält!

"Lege Wert auf gute Gesellschaft, auch wenn du allein bist!"
[Spruch aus Ungarn]

Donnerstag, 31. Oktober 2013

Glückswege.

Eine Geschichte verfasst für mein Patenkind Mika. 
Auf dass du deinen eigenen Weg zum Glück finden wirst!

Es war einmal ein kleiner Dachs, der lebte mit vielen anderen Tieren zusammen in einem wunderschönen Wald. Der kleine Dachs lebte sehr gerne in diesem Wald und hatte seit seiner Geburt auch nie einen anderen Ort kennengelernt. 

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Natürlich hatte er viele Bekannte, da war z.B. die Familie Maus, die direkt neben seinem Bau ihr Nest hatte oder die Familie der Uhus, die direkt über der Familie Maus in der Baumkrone lebte. Denn der Wald war ein Ort, an dem viele Tierfamilien ihr Zuhause hatten und in dem alle friedlich miteinander lebten.
Eines Morgens, der kleine Dachs war gerade aufgestanden, da fragte er sich, was er an diesem herrlichen Sonnentag unternehmen sollte. Er überlegte nicht lange und dachte bei sich:
„Die Familie Maus habe ich schon lange nicht mehr besucht, es wird Zeit, dass ich mich bei ihnen mal wieder sehen lasse!“ 

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Also machte sich der kleine Dachs auf den Weg zur Familie Maus. Dort angekommen, tobten die kleinen Mäusekinder schon wild durch die Gegend, wie es eben ihre Art war. Hin und her und Hin und Her, so schnell, dass man ihnen manchmal mit den Blicken gar nicht zu folgen vermochte.
„Was treibt ihr an diesem wunderschönen Tag?“, fragte der Dachs die Mäusekinder. „Siehst du doch, wir toben durch die Gegend, denn das ist unser Lieblingsspiel!“ „Das ist euer Lieblingsspiel? Aber das ist doch total sinnlos und macht überhaupt keinen Spaß! Ich dachte, wir könnten vielleicht was zusammen unternehmen?!“, sagte der Dachs zu den Mäusekindern.
 „Aber du kannst doch mit uns spielen, komm, versuche es, denn es macht wirklich viel Spaß hier in der Sonne zu tollen!“ 
„Nein danke, das ist mir nun wirklich zu blöd!“, sprach der Dachs und machte sich enttäuscht von dannen. „Aber du hast es ja noch nicht mal probiert!“, sprachen die Mäusekinder „Meckern ist einfach, schlag doch selbst was vor! Was ist denn dein Lieblingsspiel?“, fragten die Kleinen, doch da hatte sich der Dachs schon auf den Weg gemacht und die Mäusekinder sahen nur noch seinen gestreiften Rücken.
Am nächsten Morgen wachte der Dachs erneut auf und dachte bei sich: „Was kann ich denn heute schönes unternehmen? Ach, ich werde die Familie Uhu besuchen, die haben mich schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen.“ Also machte sich der kleine Dachs auf den Weg und erreichte die Familie Uhu recht schnell, denn schließlich wohnte die Familie nicht weit vom Dachs entfernt. Bei der Familie Uhu angekommen, sah der kleine Dachs Vater und Mutter Uhu auf ihrem üblichen dicken Ast sitzen. Neben den beiden hockten die beiden kleinen Uhukinder und sahen ebenfalls in die Ferne. 

 'Uhu

„Einen schönen guten Morgen zusammen! Was treibt ihr denn da?“, fragte der kleine Dachs die Uhufamilie. „Wir sitzen hier, lassen uns die Sonne auf den Bauch scheinen und beobachten die Gegend!“, antwortete Mama Uhu und betrachtete den kleinen Dachs von ihrem Ast aus. „Ach so, aber das ist doch total blöd, was soll das denn für einen Sinn machen?“, sprach der kleine Dachs und sah mit skeptischem Blick zum Ast hinauf. „Was das für einen Sinn machen soll? Das ist eben unsere Lieblinsbeschäftigung, komm hoch und probiere es aus. Es wird dir gefallen!“, sprach Vater Uhu und sah den kleinen Dachs erwartungsvoll an. „Nein danke, also wirklich nicht, so hatte ich mir meinen Tag nicht vorgestellt. Ich wollte etwas Schönes unternehmen!“ sagte der kleine Dachs enttäuscht und drehte der Familie den Rücken zu. „Aber hier zu sitzen ist doch was Schönes...und nur zu meckern ist ja leicht, schlag doch deine Lieblingsbeschäftigung vor!“, sprach die Uhumama, doch da hatte sich der kleine Dach schon wieder auf den Heimweg gemacht.
Genau dieser Prozess wiederholte sich die nächsten Tage: weder das Treiben im Wasser der Familie Otter noch das Springen im Feld der Familie Reh sagte dem kleinen Dachs zu. 

 

So lag er traurig in seinem Bau und dachte nach. Es war nämlich nicht so, dass er die Fragen der Tierfamilien nach seiner Lieblingsbeschäftigung nicht gehört hatte. Nein, gehört hatte er sie sehr wohl. Nur wollte ihm auf diese Frage einfach keine Antwort einfallen. Das machte den kleinen Dachs sehr sehr traurig und er wusste sich keinen Rat. So trauerte der kleine Dachs viele Tage lang in seinem Bau vor sich hin. Doch plötzlich fiel ihm endlich die Lösung ein, wer ihm bei seinem Problem helfen konnte. „Natürlich, warum bin ich denn da nicht eher drauf gekommen?! Ich frage den alten schlauen Fuchs um Rat!“. 


Der alte schlaue Fuchs lebte am Ende des Waldes und jedes Tier wusste, dass man sich, wenn man mal gar nicht mehr weiter wusste, sich an den Fuchs wenden konnte. Zwar hatten viele Tiere großen Respekt vor ihm und machen auch ein kleines bisschen Angst, dennoch war der Rat des Fuchses zumeist sehr hilfreich.
Freudig darüber, endlich der Lösung seines Problems ein Stück näher gekommen zu sein, machte sich der kleine Dachs auf den langen Weg. Zwei ganze Tage und zwei Nächte dauerte die Reise zum Fuchs, doch endlich erblickte der kleine Dachs aus der Ferne den Bau des alten weisen Fuchses. Mit mulmigen Gefühl im Bauch rief der kleine Dachs: 
„Alter weiser Fuchs, bist du zu Hause? Ich will dich um deinen Rat bitten!“. Doch nichts passierte. Schon in Sorge darüber, dass der Fuchs nicht zu Hause sein könnte, wurde der kleine Dachs sehr unruhig. Doch endlich streckte der Fuchs seinen Kopf aus dem Bau und sprach: „Du willst meinen Rat? Das habe ich mir schon gedacht. Mich wundert nur, dass du jetzt erst bei mir erscheinst! Komm mit in meinen Bau und höre dir an, was ich dir zu sagen habe!“
 Verwundert darüber, was der Fuchs gesprochen hatte, folgte der kleine Dachs dem Fuchs aufgeregt in dessen Bau.
„Woher wusstest du, dass ich kommen werde?“ fragte der kleine Dachs sichtlich verwundert. „Das fragst du dich wirklich? Alle Tiere des Waldes sprechen über dich. Hast du das denn gar nicht gewusst?“ „Nein, habe ich nicht. Ich bin hier, weil...“ 
„...du bist hier, weil du wissen willst, wer du eigentlich bist!“, vollendete der Fuchs den Satz des Dachses. „Ja...Nein, also ich bin hier, weil ich nicht weiß, was eigentlich meine Lieblingsbeschäftigung ist!“ 
„Genau, und da du das so offensichtlich nicht weisst, scheinst du dich selber nicht sonderlich gut zu kennen. Das was du tust ist Folgendes: Du streifst umher, besuchst die Familien des Waldes und beobachtest sie. Doch anstatt ihnen zuzuhören und mal zu versuchen zu verstehen, was sie eigentlich glücklich machst, gibst du ihnen keine Chance. Im Gegenteil, du verhöhnst sie und machst dich über sie lustig, ohne eigentlich zu wissen, über was du dich da so amüsierst!“ 
„Aber, aber die haben doch auch alle komische Dinge betrieben, ich meine auf einem Baum zu sitzen...!“ 
„Hast du es einmal ausprobiert, kleiner Dachs?!“ fuhr der alte Fuchs ihn an. „Hast du einmal etwas von dem versucht, was die anderen scheinbar mit Freude tun?"
„Nein, habe ich nicht, aber das muss ich auch gar nicht, denn...“ 
„Ach das musst du gar nicht?! Du hast das Recht, dich über Dinge lustig zu machen, von denen du eigentlich gar keine Ahnung hast?! Natürlich, denn sich über etwas lustig zu machen und etwas in Frage zu stellen, ist nämlich auch viel leichter, als sich selbst zu fragen, was einen glücklich macht! Denn wie du siehst: genau das ist jetzt dein Problem. Du kennst dich nicht und du weisst nicht, was dich glücklich macht! Da sind dir alle Tierfamilien, die du besucht und verspottet hast, ein großes Stück voraus!“ 
Während der Rede des Fuchses immer kleinlauter geworden, traute sich der kleine Dachs zunächst gar nichts zu sagen und dachte über die Worte nach. Nach einer Weile sprach er mit leiser Stimme: 
„Vielleicht hast du ja Recht...ich habe den Familien wirklich keine Chance gegeben...aber diese Einsicht löst noch nicht mein eigentliches Problem: Woher weiss ich, was mich glücklich macht?“ sprach der kleine Dach und sah dabei sehr traurig drein. 
„Nun, das eine hängt eng mit dem anderen zusammen!“, sagte der Fuchs. „Ich gebe dir folgenden Rat: Mache dich auf zu einer langen Reise. Gehe Wege, die du noch nie zuvor gegangen bist, wähle Pfade, die dir fremd erscheinen und schlage sie ein. Jedem Tier, dem du auf deiner Reise begegnest, schenkst du ein offenes Ohr, wenn du sie fragst, was sie glücklich macht und womit sie ihren Tag zu füllen pflegen. Und du wirst ihnen nicht nur genau zuhören, du wirst weiterhin Folgendes tun: du bittest sie, dass du an der Tätigkeit, die sie glücklich macht, teilhaben kannst. Du wirst alles ausprobieren, was sie tun. Und du wirst diese Tätigkeiten ohne Hohn und Vorurteil ausüben und erst danach in Ruhe darüber urteilen, ob es dir Spaß gemacht hat oder nicht. Hast du das verstanden kleiner Dachs?“ sprach der Fuchs mit ernster Stimme. 

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„Ja, das habe ich verstanden!“ erwiderte der Dachs. „Vielen Dank für deinen Rat, ich werde mir große Mühe geben, ihn zu befolgen.“

So machte sich der kleine Dachs auf die Reise. Er ging Wege, die er noch nie zuvor gegangen war und er wählte Pfade, die ihm fremd erschienen. Genau so, wie es ihm der Fuchs geraten hatte.
Da begegnete er einer Schlange. 
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„Hallo!“, sagte der Dachs. „Darf ich dich um etwas bitten? Ich würde dich gerne fragen, was dich eigentlich glücklich macht!“ sprach der Dachs.
 „Das ist aber eine sehr persönliche Frage.“ antwortete die Schlange verwundert, „aber ich will sie dir dennoch beantworten: ich liebe es, mir die Sonne auf die Haut scheinen zu lassen und mich durch das hohe Gras zu ringeln. Auch mag ich es, wenn ich warme Erde an meinem Körper spüren kann.“ 
„Aber das ist doch völlig bescheuert...!“, wollte der Dachs gerade erwidern, als ihm die weisen Worte des Fuchses wieder in den Sinn kamen und er stattdessen antwortete: „Hättest du was dagegen, wenn ich dich mal einen Tag begleite und wir diese Dinge, von denen du eben erzählt hast, mal gemeinsam ausprobieren würden?“
 „Aber nein, warum sollte ich was dagegen haben? Ich freue mich doch, wenn ich anderen zeigen kann, was mich glücklich macht!“ So verbrachten der Dachs und die Schlange einen Tag zusammen und sie sonnten sich und die ringelten sich im Gras und sie fühlten wie wohlige Wärme des Erdbodens an ihren Körpern. Am Ende des Tages bedankte sich der Dachs bei der Schlange für den schönen Tag und setzte seine Reise fort.
Am nächsten Tag traf er auf eine kleine Entenfamilie. 

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Erneut trug er sein Anliegen vor und auch die Entenfamilie reagierte wie einst die Schlange. So verbrachte der Dachs den Tag damit, zu schwimmen und am Ufer zu liegen und zu tauchen, denn das waren die Dinge, welche die Enten glücklich machte. Auch am Ende dieses Tages bedankte sich der Dachs bei der Familie und machte sich wieder auf den Weg.
So erlebte der kleine Dachs viele Dinge: er flitzte mit den Eidechsen um die Wette, er klopfte mit den Spechten ,so dass jedermann es hörten konnte, er kletterte mit den Gemsen, bis ihnen schwindelig wurde und er schlich mit den Schnecken so langsam, dass sie fast auf der Stelle blieben.
Nach diesen vielen schönen und aufregenden Erlebnissen zog langsam der frühe Winter ins Land und der kleine Dachs machte sich auf den langen Heimweg zurück in seinen Wald. Auf dem Rückweg machte er noch einen kleinen Umweg, um den Fuchs zu besuchen. Dieser hatte ihn schon erwartet und war gespannt auf die Geschichten, die ihm der kleine Dachs zu berichten wusste. So erzählte der kleine Dachs von den großen und kleinen Abenteuern, den neuen Erfahrungen und den Eindrücken, die er auf seiner Reise gewonnen hatte. Dem Fuchs entging das Leuchten in den Augen des Dachses nicht, als dieser von seinen Erlebnissen berichtete. Es war, als würde ein gänzlich neuer Dachs vor ihm sitzen, der nichts mehr mit dem Dachs zu tun hatte, der vor dem Sommer seinen Bau verließ, um sich auf die Reise nach sich selbst zu machen.
„Und?“, sprach der Fuchs, „hast du nun verstanden, warum ich dich auf diese Reise geschickt habe?“, wohlwissend darüber, was wohl die Antwort sein würde. 
„Ja, das habe ich“ sprach der kleine Dachs. „Ich habe verstanden, dass jeder seinen eigenen Weg finden muss, um glücklich zu sein. Und dass es wichtig ist, dass diese Wege zwar verschieden sein mögen, dass sie aber alle einen gleichen Endpunkt besitzen: das Glück so zu leben, wie man es sich selbst aussucht. Niemand soll aufgrund seines Weges verurteilt oder verspottet werden, denn überhaupt einen Weg zu haben, der auf ein Ziel hinführt, darin liegt die Kunst des Lebens. Das ist nun das, was ich verstanden habe. Und dadurch, dass ich viele verschiedene Wege gegangen bin, war es mir nun möglich, auf diesen Wegen Erfahrungen zu sammeln, die es mir nun ermöglicht haben, meinen eigenen Weg zu finden!“
Und der Fuchs sah im Leuchten der Augen des Dachses, dass dieser es auf seiner Reise geschafft hatte, den Anfangspunkt seines eigenen Weges zum Glück zu finden und dass er in Zukunft das Wissen und die Kraft besitzen würde, diesen Weg bis zum Ende gehen zu können.